Der polnische Kommissar

5. Orient-Express

… bevor sie für eine sehr kurze Nachtruhe auseinandergehen, sitzen alle noch beisammen und sehen einen Film.
Zur letzten Einstimmung gewissermaßen.
Der Psychologie.
Lydia hält sich jetzt sehr zurück. Sitzt in der hintersten Reihe.
Die Dampflok wirft plötzlich ihr Dreilicht Spitzen-Signal an.
Schicksalhaft schreit sie Angst, Unheil, Bedrohung – mit der Dampfpfeife schrill hinaus.
Der Zug, der sich da unter rhythmisch zunehmenden Auspuffschlägen in Bewegung setzt, ein geschlossenes System.
Wie die da in der PLK Meisenberg auch – sehr wahrscheinlich.
Mit dem Ermordeten. Der noch lebt, als der Zug anfährt. Mit den Mördern. Die noch keine Mörder sind.
Der Mord ist ein Beziehungsmord.
So eine Interaktion dürfte auch auf dem Meisenberg den Ausschlag gegeben haben.
Mord in einem Zug ist etwas ganz Ungewöhnliches.
In so einer Psychiatrie ganz sicher auch.
Skurrilität und Exoten geraten unter Tatverdacht.
Das steht jetzt schon fest, dass sie es auf dem Meisenberg nur damit zu tun haben.
Und in jedem Fall klärt der belgische Kollege den Fall über zwei soziologisch-psychologische Konzeptionen auf: Die Persönlichkeit des Opfers – in ihrer ganzen Komplexizität.
Und das Motiv der Täter. Sie haben alle ein Motiv. Jeder für sich.
Doch hätten sie das Motiv nicht gehabt, wäre da nicht der Ermordete mit seiner ganzen Vorgeschichte. Dem, was er war, was er getan hat, was er ist, was er weiter tut.
Zum Motiv führt die Persönlichkeit des Getöteten.
Ryblans Ansprache nach „Mord im Orient-Express“ fällt sehr kurz aus.
„Das Problem ist nicht, unsere Täter zu finden.“
„Das Problem ist, dass zu viele ein Motiv haben, die Täter zu decken.“