Der polnische Kommissar

10. Der Tatverdächtige

Lydia, Inkarnation harmlos-unschuldiger Lolita, das dichte, lange, glänzende Haar in eine große Haarhaube verhüllt, steht ihr auch, interessanterweise, wird gegen 0:30 Uhr aus sehr süßem Traum geweckt. Die Rechte wird aus dem Schoss fortgezogen, greift nach dem aller neuwertigsten Funktelefon.
„Ja?“ – und ist eher wenig erstaunt, („hmpf, hmpf“), Krupinskis Stimme zu hören. Angetrunken natürlich. („Hkachah.“)
„Ich glaub´, ich hab´ das was für Sie, Frau Lanolska, „hämff.“
Selbst Lydia braucht jetzt etwas, um umzuschalten.
„Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?“, kommt schon noch.
„Meine Frau kennt vielleicht den Typen mit dem Messer, umpf – umpf.“
Mit dem höflich sein muss Lydia sich keine Mühe mehr geben.
„Sehr interessant Herr Krupinsiki. Bitte erzählen Sie mir doch mehr.“
(Therapeutischer Ansatz!)
„Also, ämpf, ämpf. Wie sie ja sicher wissen, hat meine Frau früher als Krankenschwester auf dem Kaiserberg gearbeitet, hmhff.“
Lydia, die weiß, das Nicken am Telefon nicht rüber kommt, sagt höflich: „Ja, Herr Krupinsiki, das weiss ich.“
„Meine Frau hat als Nachtschwester gearbeitet. Hatte da interessante Begegnungen mit dem einen oder andren Psychose-Patienten auf den Akutstationen. Äphämm. Wir haben heute Abend darüber geredet, wie die Leiche ausgesehen hat. Huff, huff.“
Lydia stellt jetzt besser nicht die Frage, warum man heute Abend darüber geredet hat. Immerhin fünf oder sechs nach der Tötung.
Die Frage stellt sich Lydia vielmehr von vornherein gar nicht. Sie kann sich ihren Teil denken. So wie´s bei Krupinskis zugeht, hat es sich heute Abend um den ersten konstruktiven Gesprächskontakt seit der Hausdurchsuchung gehandelt. Nach vorausgegangenen endlosen Trinkexzessen. Beschimpfungen. Beleidigungen. Vielleicht ist Krupinski auch mehrfach verprügelt worden – und Ähnliches.